Manuel von Allmen im be-inspired Podcast

be-inspired Podcast Kandahar Schuhmanufaktur
be-inspired Podcast Kandahar Schuhmanufaktur

Manuel von Allmen (r.) mit seinem Team

Manuel von Allmen im be-inspired Podcast

Inspiration

Es ist die Geschichte eines «Start-ups mit 88 Jahren Tradition», so beschreibt es Manuel von Allmen – der Inhaber der letzten in der Schweiz produzierenden Schuhmanufaktur mit dem Namen Kandahar. Die Schuhmarke hat Fans auf der ganzen Welt und wurde 1932 von Manuels Grossvater in Mürren im Kanton Bern gegründet. Heute führt Manuel von Allmen die Firma Kandahar in der dritten Generation.

Hör dir das spannende Gespräch mit Manuel von Allmen, Geschäftsführer bei Kandahar Schuhmanufaktur AG, als Podcast an:

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Der Start-upper 

Trotz der langen Tradition versteht sich Manuel als Start-upper, weil er aus mehreren Gründen die Firma neu erfinden musste. Einer davon dafür war die anspruchsvolle Nachfolgeregelung, welche durch den überraschenden Tod von Manuels Vater 2017 auf einen Schlag höchste Dringlichkeit erhielt. Dieser Artikel und das dazugehörige Podcast-Gespräch handeln davon, wie der Informatiklehrling Manuel zum Unternehmer wurde und eine traditionsreiche Firma auf neue Beine stellte. 

Ein englischer Lord im Berner Oberland 

Doch der Reihe nach: Manuels Grossvater war in den 1930er Jahren Dorfschuhmacher in Mürren als eines Tages der englische Lord von Kandahar, der in Mürren den Kandahar Skiclub betrieb, den Grossvater damit beauftragte, einen neuen Skischuh zu kreieren. Die Innovation des Grossvaters löste solche Begeisterung aus, dass der Lord von Kandahar dem Dorfschuhmacher die Namensrechte erteilte, um mit der Marke Kandahar in Serienproduktion zu gehen. 

Aus Skischuhen wurden Winterschuhe, die auf der ganzen Welt beliebt sind, und bis heute in Gwatt bei Thun produziert werden. Die rund 30 Mitarbeitenden von Kandahar fertigen im Berner Oberland 15'000 Schuhe pro Jahr. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa der Tagesproduktion eines grossen internationalen Schuhherstellers. 

Der perfekte Sturm - eine Schweizer Qualitätsmarke steht vor dem Aus 

Kandahar ist also eine familiäre Nischenmanufaktur mit höchsten Qualitätsansprüchen und viel Handarbeit. Die Expertise dafür war im Vater von Manuel gebündelt. «Mein Vater hat die Firma aus dem Kopf heraus geführt. (…) Er hatte kein System entwickelt, das die Mitarbeitende befähigt hätte, dank Fachwissen eigenständig entscheiden zu können. Dieser Führungsstil meines Vaters hat uns nach seinem Versterben vor grosse Herausforderungen gestellt.» 

Im Jahr 2017 braute sich der perfekte Sturm zusammen: Kandahar sah sich damals schon mit dem Klimawandel und den warmen Wintern konfrontiert. Deshalb mussten Umsatzeinbussen bei den klassischen Winterschuhen mit neuen Schuhkollektionen kompensiert werden. Die etwas verstaubte Marke brauchte eine Neuauflage, die Webseite dringend einen neuen Online Shop und dann kam der Schicksalsschlag hinzu: Im Sommer 2017 verunglückte der Vater von Manuel tödlich und damit auch der Inhaber und einzige Schuhmodelleur der Firma. 

Die Nachfolgeregelung 

«Es war eine Herausforderung, die Schuhmanufaktur meines Vaters zu erben, ohne Vorkenntnisse in der Schuhproduktion zu haben. Es war mir klar, dass ich ein starkes Team brauchen würde, um diesen Teil abzudecken.», erinnert sich Manuel an den Sommer 2017. Für ihn war klar, dass er die Firma nicht so weiterführen wollte, wie es sein Vater bis dahin getan hatte.  

Um die Resilienz der Firma zu steigern, sodass nicht mehr nur eine Person alles Fachwissen bei sich bündelt, war Manuel entschlossen, ein gut aufgestelltes Führungsteam zu schaffen. «Ich wollte ein fähiges, verantwortungsvolles und teilhabendes Führungsteam aufbauen. Das bedeutete aber auch, dass ich Menschen mit dem passenden Mindset finden musste.», fasst Manuel seinen Plan zusammen. 

Der Neuanfang 

«Bei den Vorstellungsgesprächen war ich immer transparent. Ich wusste, dass ich weniger Lohn zahlen konnte als andere, aber ich konnte Mitarbeitenden die Chance bieten, Mitinhaber einer Firma zu werden. Kurzfristig denkende Menschen sagen hier nein. Nur wer längerfristig mit Herzblut dabei sein will, sagt hier ja. Diese Transparenz war entscheidend, um gute Mitstreiter identifizieren zu können.», fasst Manuel seinen Ansatz zusammen. 

Doch wie kommt es, dass ein Informatiklehrling, der bei Kandahar Erfahrungen im Verkauf gesammelt hatte, auf einmal als Führungsperson solche anspruchsvollen Challenges meistern kann? «Ich bin nicht der Schulbuchmensch», sagt Manuel. «Über die Theorie hätte ich nicht zum Unternehmer werden können. (…) Ich lerne am besten mit ‘learning by doing’ und am liebsten im zwischenmenschlichen Austausch». So erstaunt es weniger, dass Manuel sich seine Führungskompetenzen nicht mit einem Buch oder in einem Leadership-Seminar aneignete. Ganz seinem unkonventionellen Werdegang getreu ergänzt Manuel: «Viele meiner Führungsfähigkeiten habe ich in jungen Jahren beim online Videospiel «World of Warcraft» gelernt, als ich zusammen mit meinem Bruder während über einem Jahr ein Team von bis zu 50 Leuten angeführt hatte.» 

Transparenz und Offenheit als Schlüssel 

Manuel konnte jede Erfahrungsquelle gebrauchen, denn die Transformation zur revitalisierten Schuhmanufaktur war nicht einfach und die Herausforderungen mannigfaltig. «Zum Teil musste ich mich von langjährigen, sehr loyalen Mitarbeitenden trennen, weil sie die Transformation zum neuen Führungsstil und der neuen Firmenkultur nicht mittragen konnten.» gesteht der neue Inhaber Manuel. Dabei war ihm immer wichtig, transparent zu sein und das offene Gespräch mit Mitarbeitenden zu suchen, um faire Lösungen zu finden. Diese Mitarbeitende waren für Manuel keine unbekannten Personen zu diesem Zeitpunkt. Er war zum Teil mit ihnen aufgewachsen. 

Der Tribut des Unternehmertums 

Der Neuanfang von Kandahar hat nicht nur bei Mitarbeitenden einen Tribut gezollt. Auch Manuel selber als Inhaber, war vielen Belastungen ausgesetzt: «Es war schwer für mich zu realisieren, dass meine damalige Beziehung und die Firma nicht miteinander bestehen konnten. Ich musste zuerst die Firma retten und konnte mich erst danach wieder auf eine Beziehung einlassen. Das hat mich viel Kraft gekostet.» 

Damit ist Manuel nicht alleine: Das Leben als Unternehmer oder Unternehmerin kann äusserst anspruchsvoll sein, abschalten und auf andere Gedanken kommen schwierig. «Ich musste mir immer wieder vor Augen führen, dass ich auch nur ein Mensch bin und mein Tag auch nur 24 Stunden hat.» Wenn die Bemühungen in einem Misserfolg oder dem Ende von Kandahar resultiert wären, hätte Manuel dies akzeptieren können, solange er zumindest versucht hätte, die Marke Kandahar weiterzubetreiben. 

Bereit zum Abheben 

Doch es kam anders: Wir schreiben das Jahr 2021 und Kandahar ist nach turbulenten Zeiten jetzt mit einem starken Team und guten Visionen am Start. Für Manuel ist klar, dass er diese anspruchswolle Wende nicht alleine geschafft hätte: Nur dank dem unermüdlichen Einsatz von Mitarbeitenden und Mitinhabern sowie dem Mut des Führungsteams, Neuanfänge anzupacken, steht Kandahar heute gut da. Und so ist es erfreulich, dass die einzige in der Schweiz verbleibende und einheimisch produzierende Schuhmanufaktur nach dem Neustart bereit ist zum Abheben.  

mehr über Kandahar erfahren

 

Der be-inspired Podcast 

Dieses Interview ist Teil des neuen be-inspired Podcasts von be-advanced in Zusammenarbeit mit Christian Lundsgaard-Hansen von Sparkr – einer Gesprächsreihe mit inspirierenden Geschichten und wertvollen Erfahrungswerten von und für Unternehmerinnen und Unternehmern. Jede Episode handelt vom bodenständigen Umgang mit Herausforderungen im Betrieb und von den Unternehmerinnen und Unternehmern, die Innovationen vorantreiben und ihre Firma weiterentwickeln wollen. Wir lernen ihre Entscheidungsmethoden, Werte und Strategien kennen und erhalten persönliche Einblicke in den anspruchsvollen Alltag von Unternehmerinnen und Unternehmern.