Konsumverhalten: Das solltest du als Unternehmer*in wissen - Anna Knutti

Anna Knutti, Consumer Behaviour BFH
Consumer Behaviour

Konsumverhalten: Das solltest du als Unternehmer*in wissen - Anna Knutti

Wissen

Wie fällen Konsument*innen Kaufentscheide und können wir diese als Unternehmer*in beeinflussen? Prof. Anna Knutti ist Dozentin für Consumer Behaviour an der Berner Fachhochschule und zeigt eindrücklich auf, wie Menschen beim Konsumieren ticken und was das für dein Unternehmen bedeutet.

Expert*innen aus den unterschiedlichsten Bereichen beleuchten in der kostenlosen be-smarter-Eventreihe zentrale Themen rund um das Unternehmertum, um (Jung-)Unternehmer*innen auf ihrem Weg zu unterstützen. Die wichtigsten Tipps aus dem Online-Event zum Thema Consumer Behaviour mit Prof. Anna Knutti fassen wir hier zusammen.

 

Vom Kaufverhalten zum Konsumverhalten

Der Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung hat drei Phasen: vor dem Kauf, während des Kaufs und nach dem Kauf. Fragen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven helfen dir, den Prozess der Kaufentscheidung einer Person während dieser drei Phasen besser zu verstehen:

  1. Vor dem Kauf
    1. Konsument*innenperspektive: Wie entscheidet eine Person, ob sie ein Produkt braucht? Welche Informationen eignen sich besonders, um etwas über bestehende Alternativen zu erfahren?
    2. Marketingperspektive: Wie wird die Einstellung der Kundschaft zu Produkten gebildet/verändert? Welche Hinweise nutzen Personen, um herauszufinden, welche Produkte besser sind als andere?
  2. Während des Kaufs
    1. K.: Ist der Kauf eines Produkts stressig oder entspannend? Was sagt der Kauf über die konsumierende Person aus?
    2. M.: Inwiefern beeinflussen situationsbedingte Faktoren, wie z.B. Zeitdruck oder bestimmte Verkaufsaufsteller die Kaufentscheidung einer Person?
  3. Nach dem Kauf
    1. K.: Bereitet das Produkt Freude oder erfüllt es den erwarteten Nutzen? Wie wird das Produkt ggf. entsorgt und was sind mögliche Folgen für die Umwelt?
    2. M.: Welche Faktoren bestimmen, ob Konsument*innen mit dem Produkt zufrieden sind und ob sie es wieder kaufen werden? Erzählen die Konsument*innen anderen Personen von ihren Erfahrungen mit dem Produkt und beeinflusst das deren Kaufentscheidung?

Um dein Produkt oder deine Dienstleistung weiterzuentwickeln, ist es zentral, zuzuhören und Kritik ernst zu nehmen. Nur so kannst du als Unternehmer*in deiner Kundschaft den grösstmöglichen Nutzen bieten.

 

Nicht die Funktion, sondern die Bedeutung eines Produktes ist entscheidend

Die Motivation, warum eine Person ein bestimmtes Produkt kauft, ist komplex und verändert sich. Vier “Beziehungstypen” zwischen einem Menschen und einem Produkt beeinflussen die Konsumentscheidung:

  1. Verbundenheit zum Selbstkonzept: Das Produkt unterstützt die Identitätsbildung.
  2. Nostalgische Verbundenheit: Das Produkt stellt Bezüge zur Vergangenheit her.
  3. Verflechtung: Das Produkt ist Teil der alltäglichen Routine.
  4. Liebe: Das Produkt erzeugt eine emotionale Beziehung und vermittelt Wärme, Leidenschaft etc..

Überlege dir als Unternehmer*in, wie du diese vier “Beziehungstypen” in deinen Verkaufsprozess integrieren und die Kaufentscheidung deiner Kundschaft entsprechend beeinflussen kannst. Die Kaufentscheidung geschieht auf drei Ebenen:

  1. Kognitiv: wohlüberlegt, rational, aufeinanderfolgend; z.B. Dinge auf einer Wunschliste
  2. Habitualisiert: verhaltensbezogen, unbewusst, automatisch; z.B. Dinge auf einer Einkaufsliste
  3. Affektiv: emotional, unmittelbar; z.B. Takeaway-Kaffee am Bahnhof, weil es lecker nach Kaffee duftet 

 

Entscheidungsfindung: kognitiv, habitualisiert oder affektiv?

Der Mensch ist ein “kognitiver Geizkragen”; auch bei kognitiven Entscheidungen. Deswegen ist es aus unternehmerischer Sicht zentral, mögliche Störfaktoren zu minimieren, keine mühseligen Prozesse anzubieten und besondere Pluspunkte des eigenen Produktes hervorzuheben. Den grössten Aufwand nehmen Personen mit mittlerem Wissen auf sich. Es kann sich lohnen, den Verkaufsprozess an dieser Gruppe auszurichten.

Menschen sind Gewohnheitstiere, die mentale Abkürzungen nehmen, weil es für sie effizient ist. Deswegen prägen habitualisierte Kaufentscheidungen unseren Alltag. Eine mentale Abkürzung ist bspw. das Label “Made in Switzerland”. Gekoppelt mit einer “Gut genug”-Einstellung reicht dies vielen Personen bereits, um einen Kauf zu tätigen.

Emotionale Entscheide sind auch nicht zu unterschätzen. Ein Lebensgefühl zu verkaufen, ist je nach Produkt einfacher als das Produkt selbst. Sogenannte “Lovemarks” wecken eine leidenschaftliche Begeisterung für eine Marke und appellieren an die affektive Kaufentscheidung einer Person.

 

Kultur, Werte und Manipulation im Marketing

Die Werte einer Kultur haben massgeblichen Einfluss auf das Konsumverhalten. Einzelne Werte besitzen je nach Kultur eine sehr unterschiedliche Bedeutsamkeit. Es ist daher essenziell für dein Unternehmen, die Werte deiner Kundschaft zu kennen, um deine Zielgruppe möglichst optimal anzusprechen. Ist dein Unternehmen in mehreren Ländern oder Kulturen tätig, ist es wichtig, die “Persönlichkeit” mit den wichtigsten Werten des jeweiligen Landes zu kennen. Bereits im DACH-Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) gibt es grosse kulturelle Unterschiede, die du beachten musst, wenn du in diesen drei Ländern aktiv bist.

Manipulation im Marketing kann ethisch oder unethisch sein. Sie liegt „irgendwo“ auf einem Kontinuum zwischen faktenbasierter Überzeugung und Nötigung. Als Manipulation gilt im Marketing die Beeinflussung aus niederen Motiven (Profitgier, Heimtücke etc.), das Umgehen/Verhindern rationaler Entscheidungsprozesse, die Irreführung oder die «unterschwellige» Beeinflussung. Marketingmassnahmen, die explizit auf diese vier Dimensionen abzielen, sind tendenziell unethisch. Besonders dann, wenn das Vertrauen von Kund*innen missbraucht wird.

Um als Unternehmer*in erfolgreich zu sein, ist es also entscheidend, sich Wissen über das Konsumverhalten anzueignen, sich selbst sowie die eigenen Prozesse zu beobachten, Muster zu erkennen und allenfalls daraus auszubrechen. Bedenke bei all deinen Überlegungen und Handlungen zudem, dass es vulnerable Gruppen wie Kinder gibt und orientiere dich im Zweifelsfall am Sprichwort “Ehrlich währt am Längsten”. Dies ist auch in der Geschäftswelt ein guter Leitsatz.

 

Buch-Empfehlung zum Konsumverhalten (Konsumentenverhalten, Solomon)