Im Rahmen der be-smarter Workshopreihe hat Silvio Morelli (Chief Business Development Officer) von Aktionariat einen tiefen Einblick in die Welt der digitalen Aktien gegeben. Was im ersten Moment nach einem Hype klingt, ist längst Realität. Digitale Aktien machen es möglich, dass Unternehmen Kapital aufnehmen können – einfacher, flexibler und für Investor*innen zugänglicher. Doch was steckt dahinter?Dozent) von der Berner Fachhochschule spannende Einblicke in ihre Forschung rund ums Thema Crowdfunding (CF) für nachhaltige Unternehmen gegeben. Klar ist: Wer seine Crowdfunding-Geschichte authentisch, mit persönlicher und intensiver medialer Begleitung auf Social Media erzählt und Zweck und Ziel präzis formulieren kann, hat mehr Erfolg.
Traditionelles System vs. digitales System
Im traditionellen Finanzsystem läuft alles über zentrale Stellen: Banken verwalten Depots, Notare beglaubigen Übertragungen, und Aktienbücher werden manuell geführt. Jede Transaktion muss über Intermediäre abgewickelt werden – das kostet Zeit und Gebühren.
Das digitale System funktioniert anders:
- Dezentral: Die Blockchain bildet das Register ab, ohne zentrale Instanz.
- Direkt: Aktien können unmittelbar von einer Person zur anderen übertragen werden.
- Transparent: Jede Transaktion ist nachvollziehbar und unveränderbar dokumentiert.
Damit verschieben sich Rollen und Abläufe – Investor*innen sind stärker eingebunden, und KMU gewinnen mehr Flexibilität in ihrer Kapitalbeschaffung.
Was sind digitale Aktien?
Im Kern sind digitale Aktien ganz normale Aktien: Sie verbriefen einen Anteil am Unternehmen und geben den Investor*innen die gleichen Rechte wie traditionelle Aktien.
Der Unterschied: Die Aktien existieren nicht in Papierform oder nur im Aktienbuch, sondern werden auf einer Blockchain abgebildet. Damit sind sie fälschungssicher, leicht übertragbar und jederzeit nachvollziehbar.
Was ist anders?
Digitale Aktien bringen ein paar neue Elemente ins Spiel:
- Wallet statt Depot: Investor*innen benötigen ein digitales Wallet, um ihre Aktien zu empfangen und zu verwalten.
- Seed-Phrase: Der Zugang zum Wallet wird mit einer Seed-Phrase gesichert. Anders als bei Bitcoin ist der Zugang bei Verlust nicht für immer verloren – es gibt Wege, die Aktien dennoch wiederherzustellen.
- Direkte Übertragbarkeit: Digitale Aktien können unkompliziert zwischen Investor*innen gehandelt werden – ohne Papierkram, ohne Banken oder Notare als Zwischeninstanz.
Vor- und Nachteile
Die Vorteile:
- Neuer Zugang: Digitale Aktien öffnen die Tür zu Investor*innen, die bereits mit digitalen Assets vertraut sind.
- Effizienz: Weniger Administration, schnellerer Ablauf bei der Ausgabe und Übertragung von Aktien.
- Flexibilität: Unternehmen können auch kleinere Beträge von Investor*innen entgegennehmen.
Die Herausforderungen:
- Neues Terrain: Viele Investor*innen müssen sich zunächst an Wallets und digitale Prozesse gewöhnen.
- Vertrauen aufbauen: Da das Thema noch relativ neu ist, braucht es Information und Aufklärung.
- Rechtlicher Rahmen: Die Schweiz ist zwar fortschrittlich, aber manche Abläufe entwickeln sich noch.
Rechtliche Voraussetzungen in der Schweiz
Die Schweiz gehört zu den Vorreitern im Bereich digitale Assets. Mit dem DLT-Gesetz (Distributed Ledger Technology-Gesetz) wurde 2021 die rechtliche Grundlage geschaffen, dass Aktien auch als sogenannte Registerwertrechte ausgegeben werden dürfen.
Für KMU heisst das konkret:
- Digitale Aktien sind rechtlich anerkannt und erfüllen die Anforderungen des Obligationenrechts.
- Das Aktienbuch bleibt Pflicht – ein digitales Aktienbuch aktualisiert die Einträge automatisch und rechtssicher.
- Emittenten (also die KMU selbst) sind dafür verantwortlich, dass das Register korrekt geführt wird – die Blockchain ist das technische Rückgrat.
Damit haben KMU heute die Möglichkeit, rechtssicher digitale Aktien zu emittieren, ohne Graubereiche betreten zu müssen.
Primär- und Sekundärmarkt für digitale Aktien
Mit Hilfe der Blockchain-Technologie können Unternehmen heute nicht nur digitale Aktien ausgeben, sondern auch einen Markt über die eigene Website dafür betreiben. Dabei lassen sich zwei Bereiche unterscheiden:
Primärmarkt: Hier nehmen Unternehmen frisches Kapital auf, indem sie neu geschaffene Aktien direkt an Investor*innen verkaufen. Die Bezahlung erfolgt dabei unkompliziert und direkt auf das Firmenkonto, ob als Bankzahlung oder in digitalen Franken auf der Blockchain.
Sekundärmarkt: Bestehende Aktionärinnen können ihre Anteile untereinander oder an neue Investorinnen weitergeben – Peer-to-Peer, ohne Notar oder Bank dazwischen. Dadurch entsteht eine flexiblere Handelbarkeit, was die Attraktivität der Aktien zusätzlich steigert.
Treasury Shares – Kapitalaufnahme durch eigene Aktien
Ein wichtiges Instrument im Primärmarkt sind sogenannte Treasury Shares. Dabei handelt es sich um Aktien, die das Unternehmen selbst hält und für eine Kapitalaufnahme einsetzen kann. Solche Treasury Shares entstehen, wenn bestehende Aktionär*innen ihre Aktien dem Unternehmen überlassen – sei es durch Verkauf zum Nominalwert, Schenkung oder Verleih. Drei wichtige Aspekte sind:
- Das Unternehmen darf maximal 10% der Aktien als Treasury Aktien halten
- Der Verkauf von Aktien ausserhalb der Schweiz ist eingeschränkt auf EUR 100k für den Europäischen Wirtschaftsraum (je nach Land gelten andere Regeln)
- In der Schweiz können Unternehmen durch den Verkauf von Aktien bis zu CHF 8 Mio. (ohne Prospektpflicht)
Das Unternehmen kann diese Aktien anschliessend neu platzieren und so Eigenkapital aufnehmen. Die Ausgabe und Verwaltung erfolgt dabei in Form von Token, die auf der Ethereum-Blockchain abgebildet werden. So verbindet sich rechtliche Sicherheit mit technischer Effizienz – und KMU gewinnen eine zusätzliche, moderne Möglichkeit der Finanzierung.
➡️ Mit konkreten Fragen zu digitalen Aktien kannst du dich gerne an Silvio Morelli von Aktionariat wenden.
Glossar
- Bitcoin: Erste und bekannteste Kryptowährung, oft als Vergleich für digitale Systeme genannt (dient häufig als Referenz, funktioniert aber anders als digitale Aktien).
- DLT (Distributed Ledger Technology): Wörtlich „verteilte Register-Technologie“; Oberbegriff für Technologien wie die Blockchain, bei denen Daten dezentral gespeichert werden (rechtliche Grundlage in der Schweiz, damit KMU digitale Aktien als Registerwertrechte ausgeben dürfen).
- Emission: Ausgabe neuer Aktien (klassisch oder digital), durch die ein Unternehmen Eigenkapital aufnimmt (für KMU der konkrete Schritt, um Investorinnen zu beteiligen).
- Ethereum: Eine Blockchain-Plattform, die Smart Contracts ermöglicht und häufig als Grundlage für digitale Aktien genutzt wird.
- Miner: Teilnehmende im Blockchain-Netzwerk, die Transaktionen verifizieren und bestätigen (technische Grundlage, damit digitale Aktien sicher funktionieren – KMU müssen das nicht selbst betreiben).
- Private Key: Geheimer Schlüssel, mit dem Transaktionen autorisiert werden (Investorinnen brauchen ihn, um ihre digitalen Aktien zu kontrollieren).
- Public Key: Öffentlicher Schlüssel, der als Adresse für Transaktionen dient (vergleichbar mit einer IBAN, an die Investorinnen ihre Aktien „halten“ können).
- Registerwertrecht: Gesetzlich verankerte Form, mit der Aktien digital auf der Blockchain abgebildet werden können (rechtliche Basis, damit KMU digitale Aktien ausgeben dürfen).
- Seed-Phrase: Eine Wortfolge, die den Zugang zum Wallet sichert (Investorinnen müssen sie sicher aufbewahren – bei Verlust gibt es im Gegensatz zu Bitcoin aber Wiederherstellungsoptionen).
- Smart Contracts: Digitale Verträge auf der Blockchain, die automatisch ausgeführt werden, sobald festgelegte Bedingungen erfüllt sind.
- Token: Digitale Darstellung eines Werts auf der Blockchain, z. B. einer Aktie (bei KMU entspricht ein Token in der Regel einer Aktie).
- tokenisiert: Generell umfasst die Bedeutung der Tokenisierung das Aufbrechen eines grossen Ganzen in viele Klein- und Kleinstteile.
- Treasury Shares: Eigene Aktien, die eine Gesellschaft zurückkaufen und wieder ausgeben kann (für KMU eine Möglichkeit, flexibel mit Anteilen umzugehen).
- Wallet: Ein App als "Digitale Brieftasche", in der digitale Aktien oder Kryptowährungen aufbewahrt werden (Investorinnen brauchen sie, um Anteile an einem KMU zu halten).